Buchbesprechung von Josef Kroha zu "Braune Flecken auf dem Priesterrock".

- veröffentlicht in der Pipeline, Juli 2014: Mitteilungsblatt des Aktionskreises Regensburgs.

Drei katholische Priester sind die Protagonisten, denen sich Robert Werner, Regensburg, in seinem Buch „Braune Flecken auf dem Priesterrock. Studien zur Verleugnung und Verdrängung der NSVergangenheit der Regensburger Theologen Josef Engert, Rudolf Graber und Theobald Schrems" widmet. Drei Personen, die in der katholischen Bischofsstadt eine hohe Wertschätzung genießen. Für den derzeitigen Oberhirten sogar insoweit, als er den Bischofsring seines Vorgängers Rudolf Graber übernommen hat und trägt. Eine Geste, die die Treue zu den Ansichten seines Vorgängers zum Ausdruck bringen soll, wird doch der Ring bei der Weihe mit den Worten übergeben: "Nimm den Ring, das Siegel der Treue, damit du Gottes heilige Braut, die Kirche geschmückt durch unwandelbare Treue, unverletzt behütest."
Doch zurück zum Buch, das es auf sich genommen hat, an dieser Wertschätzung der drei Priester zu kratzen und sie ins rechte Licht zu rücken. Der Untertitel gibt die Richtung vor. Es geht um die Verleugnung und Verdrängung der NS-Vergangenheit dieser drei prominenten Priester, nach denen Straßen, Schulen und sogar ein Universitätspreis benannt und eine goldene Bürgermedaille verliehen wurden. Allerdings wurde von der Stadt Regensburg entschieden, den Professor-Josef-Engert-Preis aufgrund der Recherchen in diesem Buch, vorläufig als Universitätspreis zu benennen. Robert Werner stützt sich bei seinen Nachforschungen auf Quellen, die von den drei Personen selber hinterlassen wurden.

Josef Engert

Da ist zuerst Josef Engert, der in der Domstadt als Vater der Universität gilt. Noch im Jahr 2008 wurde vom damaligen OB Schaidinger über den römisch-katholischen Priester und ehemaligen Philosophieprofessor gesagt, er habe „Deutschlands Tradition der Aufklärung" und eine „christlich-abendländische Geisteshaltung" verkörpert. Der Autor legt in seinem Buch vielmehr dar, dass Engert ein kriegstreibender, völkischer Monarchist war, der den NS-Staat begrüßte und Rasse, Blut und Boden der heimatlichen Erde als gottgegebene Grundlage für diesen Staat verkündete. Noch als 32-Jähriger zog er als Kriegsfreiwilliger in den 1. Weltkrieg, schwärmte von wunderbarem Erleben der ersten Kriegswochen, in denen die Heere den Feind Schlag auf Schlag zu Boden schmetterten. Im Kampf liegt die höchste Kraftäußerung, Kreuzzugsstimmung. Gott will es! Denn der Soldat kämpft für Gottes Gerechtigkeit und den Frieden im Reich Gottes.
Nach etwas mehr als einem Jahr als Lazarett-Geistlicher kehrte er allerdings schon im November 1915 als Lehrer an das Lyzeum zurück. Nach dem 1. Weltkrieg betrachtete der Theologe Engert den damals entstandenen Freistaat Bayern als liberal-demokratischen Staat und somit als Erbfeind christlichen Denkens. Den aufkommenden NS-Staat begrüßte er anlässlich einer Volksabstimmung im November 1933, die auf eine Zustimmung zum Austritt aus dem Völkerbund zielte, mit einer Unterzeichnung eines Bekenntnisses zu Adolf Hitler. Obwohl es ihm nach den Statuten des Konkordats untersagt war, trat er dem NS-Lehrerbund bei, der zum Verband der NSDAP gehörte.
Er wollte das NS-Regime mitgestalten und er wollte publizieren. Dazu war erforderlich, dass er Mitglied in der Reichsschrifttumskammer war. Dafür musste er einem NSDAP-Verband angehören und den Arier-Nachweis erbringen. Im reichsweiten Korrespondenz- und Offertenblatt für die gesamte katholische Geistlichkeit verbreitete er die Ansicht, die von Gott gegebene Grundlage des Staates seien Rasse, das Blut und der Boden der heimatlichen Erde zusamt der geistigen Artung. Im Kleruskalender, für den er als Schriftleiter fungierte, betrieb er eine nationalsozialistische Rassenkunde, angereichert mit rassistisch aufgeladenem Antijudaismus. Überhaupt vertrat er die Rassenidee des NS-Chefideologen Alfred Rosenberg als ein Geschichtsbild von eindringlichster Geschlossenheit und innerer Bündigkeit.
Nach dem Ende des 1OOOjährigen Reichs wurde Engert vom NS-Propagandisten zum "Nazigegner". Um an der vom Lyzeum zur Philosophisch-Theologischen-Hochschule umgewidmeten Schule bleiben zu können, gab er bei der Befragung durch die amerikanische CIC an, dass er gegen die Nazi-Ideologie und Alfred Rosenberg gekämpft hätte. Daraufhin wurde er für tauglich befunden und konnte weiter als Hochschullehrer tätig werden. Im Spruchkammerverfahren, dem er sich ebenfalls zu unterziehen hatte, sah das Gesetz zur Befreiung vom Nationalsozialismus und Militarismus vor, Führungspositionen nur mit „Entlasteten" zu besetzen. Er wurde trotzdem als nicht belastet eingestuft, obwohl dies aufgrund seiner Mitgliedschaft im NS-Lehrerbund und der Reichsschrifttumskammer nicht möglich gewesen wäre.

Rudolf Graber

Der am päpstlichen Institut Angelicum in Rom zum Dr. theol. promovierte Rudolf Graber war bis Juli 1933 als Lehrer für Religion und Latein an der Staatlichen Realschule in Neumarkt i.d.OPf. tätig. Zur gleichen Zeit bekleidete Graber im Bund Neudeutschland die Führungsstelle des Geistlichen Leiters für den Donaugau, der aus den Bistümern Eichstätt, Regensburg und Passau bestand. Der Bund Neudeutschland wurde bereits 1919 als Verband zur außerschulisch-kirchlichen Betreuung männlicher katholischer Schüler an höheren Lehranstalten gegründet und war untergliedert in den „Älterenbund-(Äbu)" für Studenten und Dozenten und einem Verbund für Schüler. Graber prägte als führendes Mitglied den Äbu maßgeblich mit. Ein Bund, der in seiner Grundsatzerklärung vom 1.5.1933 verlautbarte, dass "wir zum neuen Staat Ja sagen wollen".
Bis zum Sommer 1933 ist eine offene judenfeindliche Ausrichtung der "Werkblätter" dieser Vereinigung nicht auszumachen, eine solche kam erst im Herbst desselben Jahres auf, so der Autor Robert Werner. Dabei blieb es dem Geistlichen Leiter Graber vorbehalten, als erster in den Werkblättern eine unverkennbar antisemitische Ideologie zu vertreten, in dem er eine antijüdische Theologie und nationalsozialistische Deutschtums-Ideologie zu einer Art judenfeindlicher Reichstheologie verschmolz. Dieses Gedankengut kam im Aufsatz "Deutsche Sendung - Zur Idee und Geschichte des Sacrum Imperium" besonders zum Ausdruck. Diesen Aufsatz trug Graber bereits anlässlich der Reichs- bzw. Donautagung der Neudeutschen zu Pfingsten 1933 auf der Burg Kastl vor.
In dieser Rede, deren krude Gedankengänge kaum nachvollziehbar sind, sprach er von "der Übertragung der heilsgeschichtlichen Berufung, die Israel verwirkt" habe, "und nun den Deutschen zuteilwurde: ausgewähltes Volk Gottes zu sein, civitas Dei, zur Heilighaltung der Ordnung, der Werte, zum Schutz und Förderung der Braut Christi, zur Befriedung des Erdkreises."
Seine weiteren Überlegungen gingen davon aus, dass das deutsche Volk auserwählt sei, das seit 1806 ruhende, aber nicht tote Heilige Reich Deutscher Nation zu seiner heilsgeschichtlichen Vollendung zu führen. Das Deutsche Reich sei dabei kein imperialistischer Staat wie England, es sei mehr ein Nationalstaat, "der ein gewisses, durch Blut, Rasse und Geschichte geformtes Volkstum in sich zusammenschließt." Das deutsche Volk sei weiter als "Volk der Mitte" für das Sacrum Imperium im "Neuen Bund" ausgewählt worden - ähnlich wie Israel seinerzeit für den "Alten Bund" auserkoren worden sei.
Dazu komme noch ein "biologischer Faktor", denn die germanische Rasse sei nicht "angekränkelt von der sittlichen Fäulnis der ausgehenden Antike" und habe eine "fast unheimliche Fruchtbarkeit an differenzierten Volkstumskräften" in sich. Ja er versteigt sich sogar zu der Behauptung, "dass im Kampf gegen das Judentum die instinktive Abneigung des ganzen Deutschen Volkes zugrunde liegt, das sich unbewusst als das auserwählte Volk der neutestamentarischen Verheißung betrachtet und nun einmal mit Recht nicht verstehen kann, warum das verworfene Volk Israel die Welt beherrschen soll und nicht das Volk der Mitte".
Auch als Bischof von Regensburg konnte er seine antisemitische Einstellung nicht ablegen. Die "Deggendorfer Gnad" ist dafür ein beredtes Beispiel. Bei der "Gnad" handelt es sich um eine alljährliche Wallfahrt mit Ablassgewinnung, die auf einer judenfeindlichen "Hostienfrevel-Legende" beruht und Ende des 19. bzw. 20. Jahrhunderts" verstärkt internationale Kritik hervorrief, um eine Einstellung dieses Kultes zu erreichen. Hintergrund dieses Ereignisses war die Tötung von Juden im Jahre 1338, die der Frevelung von Hostien beschuldigt wurden. In Wahrheit aber war die hohe Verschuldung von Deggendorfer Bürgern gegenüber den getöteten jüdischen Mitbewohnern der Grund.
Hierzu musste Graber Stellung nehmen. Das tat er anlässlich einer Predigt zur Wallfahrtseröffnung im Jahr 1962. Und er bekannte sich in dieser trotzdem zu dieser Wallfahrt und versuchte den Kritikern, Artikelschreibern, "die Anlass und Wesen einer Sache nicht auseinanderhalten können", den Wind aus den Segeln zu nehmen. Kurzerhand erklärte er die "Gnad" zu einer "eucharistischen Wallfahrt". Das Volk hat hier gleichsam unausgesprochen begriffen, "dass die Eucharistie das große Sühneopfer für die Menschheit ist". Die "Gnad" sei keine Verherrlichung des Judenmordes. Es war ein taktisches Manöver, das er betrieb. Räumte er doch nur unbestreitbare historische Verbrechen ein, um die "Gnad" nach einer Umdeutung zu einer sühnenden und eucharistischen Veranstaltung zu verteidigen.
Die Deggendorfer Predigt stellt laut Autor Werner ein Lehrbeispiel für eine oberflächliche und exkulpierende Theologie der Sühne dar, die ohne jede Einsicht, Reue und Buße auskommen und die eigene Biographie ausgeblendet lassen möchte.
Zusammenfassend geht der Autor davon aus, dass Graber an der bewussten Entscheidung für den NS-Staat, an der Umsetzung und Ausformung dieses Schrittes in der NS-Bewegung tatkräftig und herausragend mitgearbeitet hat. Selbst nach 1945 verdrängte und verleugnete Graber sein antisemitisches Wirken im NS-Staat. Der Historiker Eder stellte hierzu fest, dass keiner, der von ihm untersuchten Kirchenmänner, darunter auch Graber, sich "bemüßigt sah, seinen theologischen Irrweg einzugestehen oder gar zu bedauern, dass er die herrschende Ideologie und damit letztlich das NSRegime selbst gestützt hatte".

Theobald Schrems

Die dritte und letzte Regensburger Persönlichkeit, an die sich Robert Werner in seinem Buch wagt, ist Domkapellmeister Theobald Schrems. Als Leiter der Domspatzen setzte er alle Hebel in Bewegung, dem Führer Adolf Hitler anlässlich seines Besuches in Regensburg ein Ständchen darbringen zu dürfen. Dem aber nicht genug, die Buben sollten in "Braunhemden", also in der Farbe des Regimes, auftreten. Schrems organisierte einen Auftritt im Reichssaal, den der damalige Bischof Buchberger bereitwillig absegnete. Hitler war äußerst angetan von diesem Auftritt und die von ihm begehrte Zugabe von Brahms lautete: "Wo ist solch herrlich Volk?" Die von ihm angestrebten kirchenmusikalischen Reformen des Chores waren, so glaubte er, nicht in einer Gegnerschaft zum Nazi-Regime, sondern nur in ihm und mit ihm zu erreichen.
Er übernahm daher die Ortsleitung des Bayerischen Landeskartells der Musikerschaft in der Reichsmusikkammer, die dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda untergeordnet war. Mit Zuschüssen der Reichsregierung konnte der Chor eine länger geplante Reise nach Italien verwirklichen und auch auf dem NSDAP-Gautag im Regensburger Stadtpark gab der Chor seine Sangeskunst zum Besten. Aufgeführt wurde das quasi-religiöse Glaubensbekenntnis der NSBewegung: der "Wach-Auf"-Chor des Antisemiten Richard Wagner.
Aber damit nicht genug. Als der Chor sich aufmachte, um sich der Musikwelt in Berlin zu präsentieren, suchte man auch das Grab des berüchtigten "Märtyrers der Nazibewegung" Horst Wessel auf und trug dort das nach dem Beerdigten benannte Lied in HJ-Uniformen vor. In der Folgezeit wurde der Chor unter der Leitung Schrems vom Goebbelschen Ministerium reichlich mit Geldmitteln gesponsert. Damit konnte ein Anwesen in der Orleansstraße erworben werden.
Die Gegenleistung bestand in Konzerten für Staat und Partei sowie in Auftritten beim Reichskanzler auf dem Obersalzberg und Konzertreisen zur Repräsentation Nazideutschlands nach Schlesien, Polen, Italien und Südamerika. Für letztere Reise spendierte die Reichskanzlei einen Betrag von 50.000 Reichsmark. Schrems versprach dafür "treueste Pflichterfüllung im Dienste an deutscher Kultur und Deutschland".
Anlässlich des Führergeburtstags im Jahr 1937 wurde Schrems noch mit dem Professorentitel bedacht. Im Jahre 1938 jubilierten auf Wunsch Adolf Hitlers die Domspatzen auf dem Parteitag des Großdeutschen Reichs in Nürnberg mit dem Horst-Wessel-Lied sowie erneut mit Richard Wagners "Wach-Auf"-Chor als liturgischem Glaubensbekenntnis der Nazigemeinschaft.
Selbst während des Krieges reiste der Domchor in die von der Wehrmacht besetzten Gebiete nach Polen, Tschechoslowakei, Sofia und Bukarest. Dabei blieben der "gemeinsame Einzug des Chores mit den deutschen Truppen" in der rumänischen Hauptstadt sowie der darauffolgende Auftritt bei einem Festabend ein "unvergessliches Erlebnis" für jeden Teilnehmer.
Als Fazit stellt der Autor fest, dass Theobald Schrems das NSRegime aus eigenem Antrieb bis zum Ende unterstützte und er davon außerordentlich profitierte.

Das Buch ist für jeden, der sich mit der katholischen Kirche und seiner unsäglichen Vergangenheit während der NS-Zeit beschäftigt, ein Muss. Der Autor hat noch eine Vielzahl von weiteren Beispielen für die braune Vergangenheit der drei Priester in seinem Buch verarbeitet die jedoch diese Buchbesprechung nicht alle erfassen kann.
Das Buch ist im Verlag Walhallanet für 12,80 Euro erhältlich und sehr zu empfehlen.
Verlag Walhallanet 09.03.2015 - ISBN 978-3-9814689-6-0

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